Verbreitung der Wildkatze in Österreich: Historischer Kontext und aktuelle Entwicklung
Die Europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) war in Österreich für viele Jahrzehnte als ausgestorben oder verschollen klassifiziert. Ursprünglich in den meisten waldreichen Regionen des Landes verbreitet, erlebte die Art im 19. und 20. Jahrhundert einen dramatischen Rückgang aufgrund intensiver Jagd, Lebensraumverlust und zunehmender Fragmentierung ihrer Populationen. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts galten Wildkatzen in Österreich als vollständig ausgerottet. Heute zeigt sich jedoch eine langsame, aber stetige Rückkehr der Wildkatze in bestimmte Regionen des Landes.
Historische Verbreitung
Im 19. Jahrhundert war die Wildkatze in weiten Teilen der Osthälfte Österreichs noch relativ weit verbreitet. In Regionen wie dem Wienerwald, dem Gutensteiner- und Türnitzer Bergland sowie dem Weinviertel gab es bis ins frühe 20. Jahrhundert vereinzelte Bestände. Letzte Nachweise stammen aus der Zeit zwischen 1902 und 1912, wobei der letzte dokumentierte Fang im Wienerwald im Jahr 1912 stattfand. In Oberösterreich wurde das letzte Individuum 1915 im Mühlviertel erlegt, und in Kärnten sowie der Steiermark überlebte die Wildkatze noch bis in die 1950er Jahre als seltenes Wechselwild aus Slowenien. In westlichen Bundesländern wie Tirol, Salzburg und Vorarlberg gibt es hingegen keine historischen Berichte über Vorkommen der Wildkatze.
Die Wiederentdeckung und aktuelle Verbreitung
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gelang es Forschern erstmals wieder, Wildkatzen in Österreich nachzuweisen. Diese Funde deuten darauf hin, dass die Art möglicherweise durch natürliche Migrationen aus den Nachbarländern Deutschland, Tschechien und Slowenien zurückkehrte. Besonders in den letzten zwei Jahrzehnten wurde die Wildkatze durch systematische Monitoring-Projekte, genetische Analysen und den Einsatz von Fotofallen an verschiedenen Standorten in Österreich nachgewiesen.
Bedeutende Verbreitungsgebiete
Die Wildkatze bevorzugt dichte, ungestörte Wälder mit einer hohen Strukturvielfalt, in denen sie Versteckmöglichkeiten und genügend Nahrung, vor allem Kleinsäuger, findet. Sie ist dabei auf große, zusammenhängende Waldgebiete angewiesen, da sie als territoriales Tier große Reviere bewohnt. Mischwälder und Laubwälder mit viel Unterholz bieten die besten Voraussetzungen für die Art. Straßen, Siedlungen und andere menschliche Eingriffe in die Natur zerschneiden jedoch häufig ihre Lebensräume und erschweren den genetischen Austausch zwischen Populationen.
Zu den heutigen Hotspots der Wildkatzenverbreitung zählen:
1. Waldviertel (Niederösterreich)
Das Waldviertel im nördlichen Niederösterreich gilt als ein bedeutendes Rückzugsgebiet für die Wildkatze. Besonders die Grenzregionen zur Tschechischen Republik, in denen weitläufige, strukturreiche Wälder vorkommen, bieten der Wildkatze ideale Lebensbedingungen. Diese Wälder sind reich an Kleinsäugern, welche die Hauptnahrungsquelle der Wildkatze darstellen. Besonders im Grenzgebiet zu Tschechien wurden durch genetische Analysen isolierte Wildkatzenpopulationen nachgewiesen.
2. Nationalpark Thayatal
Der Nationalpark Thayatal im Grenzgebiet zwischen Österreich und Tschechien spielt eine zentrale Rolle im Schutz und Monitoring der Wildkatze. Seit 2006 wird die Wildkatze hier regelmäßig nachgewiesen, und der Park gilt als ein Hotspot der Wildkatzenforschung in Österreich. Die dichten Wälder und die Strukturvielfalt des Nationalparks bieten der Wildkatze einen idealen Lebensraum.
3. Wachau (Niederösterreich)
In der Wachau, einem weiteren waldreichen Gebiet in Niederösterreich, konnte im Jahr 2020 erstmals Nachwuchs von Wildkatzen nachgewiesen werden. Dies deutet auf eine mögliche Reetablierung der Art in diesem Gebiet hin. Die Wälder entlang der Donau bieten ebenfalls gute Rückzugsmöglichkeiten für die Wildkatze.
4. Kärnten
In Kärnten wurden Wildkatzen in den Nockalmgebirgen, den Karnischen Alpen und den Gailtaler Alpennachgewiesen. Diese Regionen sind durch ihre dichten Wälder und ihre Abgeschiedenheit ideale Habitate für die scheuen Tiere. Vermutlich gelangten Wildkatzen durch natürliche Wanderungen aus Italien und Slowenien in diese Gebiete.
5. Oberösterreich
Im Mühlviertel und den angrenzenden Waldgebieten gab es ebenfalls vereinzelte Nachweise von Wildkatzen. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Wildkatze auch hier möglicherweise durch natürliche Migration aus dem Bayerischen Wald und dem Böhmerwald wieder heimisch geworden ist.
Bestandszahlen und Nachweismethoden
Trotz der erfreulichen Rückkehr bleibt die Wildkatze in Österreich weiterhin stark gefährdet. Die Populationen sind klein und stark fragmentiert, und es gibt nur wenige Nachweise für reproduzierende Populationen. Seit dem Jahr 2000 wurden mehr als 50 Wildkatzenfunde dokumentiert, darunter zehn sichere Nachweise (C1) und 21 bestätigte Hinweise (C2). Das Monitoring erfolgt vorwiegend durch die Lockstockmethode – bei der Wildkatzen durch Baldrianpräparate an Holzpflöcke gelockt werden, um genetisches Material wie Haare zu sammeln – und durch den Einsatz von Fotofallen.
Eine zusätzliche Herausforderung stellt die Hybridisierung mit Hauskatzen dar. Besonders in grenznahen Gebieten wird eine genetische Vermischung der Wildkatze mit verwilderten Hauskatzen festgestellt, was die Reinheit der Wildkatzenpopulation gefährdet. Besonders in der Grenzregion zwischen Salzburg und der Steiermark wurde ein Hybrid entdeckt, der auf das ernsthafte Problem der Hybridisierung hinweist.
Einfluss benachbarter Länder
Die Rückkehr der Wildkatze nach Österreich ist eng mit den Entwicklungen in den Nachbarländern verbunden. In Deutschland und der Tschechischen Republik konnten in den letzten Jahrzehnten stabile Populationen etabliert werden, die durch grenzübergreifende Wanderkorridore auch Österreich erreichen. Der genetische Austausch zwischen den österreichischen und benachbarten Populationen ist jedoch noch unzureichend. Verkehrswege, landwirtschaftlich genutzte Flächen und andere menschliche Eingriffe stellen große Barrieren dar, die die Wanderungen der Wildkatze behindern. Projekte wie INTERREG und das „Grüne Band“ sind von zentraler Bedeutung, um diese Hindernisse zu überwinden und neue Wanderkorridore zu schaffen..