Die Europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) war in Österreich über viele Jahrzehnte hinweg als ausgestorben oder verschollen klassifiziert. Ursprünglich war die Art in fast allen bewaldeten Gebieten Europas verbreitet, wurde jedoch im 19. und 20. Jahrhundert durch intensive Jagd, Lebensraumverlust und Fragmentierung stark dezimiert. Nach dem Rückgang ihrer Population in Mitteleuropa galten Wildkatzen in Österreich seit den 1950er Jahren als vollständig ausgerottet.
Wiederentdeckung und Verbreitungsgebiete
Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts gelang es Forschern, wieder erste Nachweise von Wildkatzen in Österreich zu erbringen. Dies deutete darauf hin, dass die Art möglicherweise über natürliche Wanderungen aus benachbarten Ländern, insbesondere aus Deutschland und der Tschechischen Republik, wieder eingewandert war. Besonders in den letzten zwei Jahrzehnten konnten durch systematische Monitoring-Projekte und modernisierte Nachweismethoden, wie Fotofallen und genetische Analysen, Wildkatzen an mehreren Standorten in Österreich nachgewiesen werden.
Zu den bedeutendsten Verbreitungsgebieten der Wildkatze in Österreich zählen heute:
- Das Waldviertel im nördlichen Niederösterreich, vor allem im Grenzbereich zur Tschechischen Republik, wo die Art in isolierten Waldgebieten vorkommt.
- Der Nationalpark Thayatal, der sich ebenfalls im Grenzgebiet zwischen Österreich und Tschechien befindet, spielt eine zentrale Rolle bei der Wildkatzenforschung in Österreich. Seit 2006 werden hier kontinuierlich Wildkatzen durch genetische Untersuchungen und Fotofallen nachgewiesen. Der Nationalpark hat sich zu einem der Hotspots der Wildkatzenverbreitung entwickelt
- Die Wachau, ein weiteres wichtiges Rückzugsgebiet für die Wildkatze. Hier gelang es Forschern im Rahmen des Projekts „Unsere wilden Katzen“, Nachwuchs nachzuweisen. Der Wildkatzennachwuchs, der erstmals im Jahr 2020 in der Region dokumentiert wurde, war ein entscheidender Hinweis darauf, dass sich die Art möglicherweise wieder etabliert.
Neben diesen Kerngebieten gibt es Berichte über vereinzelte Sichtungen und Nachweise in Kärnten, insbesondere in den südlichen und nördlichen Gebieten. In Kärnten konnten Wildkatzen in den Nockalmgebirgen sowie in den Karnischen Alpen und den Gailtaler Alpen nachgewiesen werden. Diese dicht bewaldeten, schwer zugänglichen Regionen bieten ideale Lebensräume für die scheuen Tiere. Es wird vermutet, dass die Wildkatzen über natürliche Wanderbewegungen aus Italien und Slowenien in die südlichen Gebiete Kärntens eingewandert sind. Besonders die Isolation und Fragmentierung der Populationen stellt jedoch eine Herausforderung dar, da diese Nachweise auf kleinflächige Vorkommen hinweisen.
Bestandszahlen und Nachweismethoden
Trotz der erfreulichen Nachweise bleibt die Wildkatze in Österreich weiterhin stark gefährdet. Der Bestand ist gering, und in vielen Regionen fehlt es noch an Nachweisen für reproduzierende Populationen. Laut dem Naturschutzbund Österreich liegen seit dem Jahr 2000 insgesamt zehn sichere Nachweise (C1) und 21 bestätigte Hinweise (C2) aus verschiedenen Regionen des Landes vor. Hinzu kommt ein Hybride, der in der Grenzregion zwischen Salzburg und der Steiermark entdeckt wurde – ein Hinweis darauf, dass die Hybridisierung mit Hauskatzen ein ernsthaftes Problem für die genetische Reinheit der Wildkatzenpopulation darstellt.
Insgesamt wurden seit den frühen 2000er Jahren mehr als 50 Bestandserhebungen durchgeführt, bei denen die Lockstockmethode und Fotofallen als Hauptmethoden verwendet wurden. Die meisten dieser Erhebungen fanden im Waldviertel, der Wachau und Kärnten statt. Seitdem hat sich gezeigt, dass die Verbreitung der Wildkatze in Österreich nach wie vor stark fragmentiert ist und ihre Populationen isoliert voneinander existieren.
Einfluss benachbarter Länder
Die Rückkehr der Wildkatze nach Österreich ist eng mit den Populationen in den benachbarten Ländern verbunden. Besonders in Deutschland und der Tschechischen Republik konnten in den letzten Jahrzehnten stabile Wildkatzenpopulationen etabliert werden, die über grenzüberschreitende Korridore auch Österreich erreichen. Diese Wanderbewegungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Wiederbesiedelung. Österreichs Wildkatzen sind Teil einer größeren mitteleuropäischen Population, die sich über Deutschland, Polen, Tschechien und den Alpenraum erstreckt.
Dennoch ist der genetische Austausch zwischen den österreichischen und den benachbarten Populationen noch nicht vollständig gewährleistet. Fragmentierte Lebensräume, Verkehrswege und landwirtschaftlich genutzte Flächen stellen große Barrieren dar, die die Ausbreitung der Wildkatze behindern. Daher sind grenzübergreifende Projekte wie INTERREG und das „Grüne Band“ von besonderer Bedeutung, da sie darauf abzielen, diese Barrieren zu überwinden und den Tieren neue Wanderkorridore zu eröffnen.