Die Europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) ist eine der ältesten Raubtierarten des Kontinents, die einst weit verbreitet in den Wäldern Europas lebte. Über Jahrtausende hat sich die Wildkatze an verschiedene Umweltbedingungen angepasst und ist heute in vielen Teilen Europas zu finden, obwohl sie in weiten Teilen ihrer einstigen Verbreitungsgebiete stark zurückgedrängt wurde.
Geschichtlicher Kontext
Historisch war die Europäische Wildkatze in fast allen waldreichen Gebieten Europas verbreitet, von den Küsten des Mittelmeers bis zu den nördlichen Regionen Schottlands und Skandinaviens. Mit der zunehmenden menschlichen Besiedlung, dem Roden von Wäldern und der Ausweitung der Landwirtschaft wurde ihr Lebensraum jedoch stark eingeschränkt. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde die Wildkatze zudem intensiv bejagt, da sie als Bedrohung für Viehbestände angesehen wurde und im Kontext der Bejagung von Raubwild allgemein als Schädling galt.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts verschwanden die Wildkatzen in vielen Teilen Westeuropas fast vollständig. In Deutschland, Österreich und weiten Teilen Mitteleuropas galten sie bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts als weitgehend ausgestorben. Lediglich in abgelegenen, schwer zugänglichen Waldgebieten konnten sie sich noch halten. In Ländern wie Großbritannien verschwand die Wildkatze fast vollständig, mit Ausnahme von isolierten Populationen in den schottischen Highlands.
Aktuelle Verbreitung und Bedrohungen
Heute ist die Verbreitung der Wildkatze in Europa fragmentiert und auf wenige Rückzugsgebiete beschränkt. Sie kommt vor allem in vier großen Metapopulationen vor:
- Westeuropa (inkl. Deutschland, Belgien, Luxemburg, Frankreich),
- Osteuropa (Polen, Slowakei, Tschechien),
- Apenninenhalbinsel und Sizilien (Italien),
- Iberische Halbinsel (Spanien und Portugal).
Die größte Bedrohung für die Wildkatze in Europa ist der Verlust und die Fragmentierung ihrer Lebensräume. Durch die Zunahme von Straßen, Siedlungen und landwirtschaftlich genutzten Flächen werden die Lebensräume der Wildkatze immer weiter zerschnitten, was zu isolierten Populationen führt. Diese Isolation verhindert den genetischen Austausch zwischen den Populationen, was zu Inzucht und einer Schwächung der genetischen Vielfalt führt. Weitere Bedrohungen sind die Hybridisierung mit verwilderten Hauskatzen, die zu einer genetischen Verfälschung der Wildkatzenpopulationen führen kann, sowie die direkte Gefährdung durch den Straßenverkehr.
Regionale Verbreitung
- Deutschland: In Deutschland erholten sich die Wildkatzenbestände durch umfangreiche Schutzmaßnahmen. Besonders in den großen Wäldern des Hunsrücks, der Eifel und des Harzes konnten stabile Populationen nachgewiesen werden. Schutzprojekte wie das „Rettungsnetz Wildkatze“ haben in den letzten Jahrzehnten zur Wiederansiedlung der Art beigetragen.
- Frankreich: Frankreich beherbergt eine bedeutende Population von Wildkatzen, besonders in den Vogesen und dem Jura. Auch hier wird die Art durch Schutzmaßnahmen und Naturschutzprogramme unterstützt.
- Spanien und Portugal: Auf der Iberischen Halbinsel kommt die Wildkatze in den Bergregionen des Nordens sowie in Zentralspanien vor. Auch hier ist die Hybridisierung mit Hauskatzen ein großes Problem. Die Tiere in diesen Gebieten zeigen oft starke genetische Durchmischung mit Hauskatzen, was die Reinheit der Wildkatzenpopulation gefährdet.
- Schottland: Die schottische Wildkatze, oft als eigenständige Unterart angesehen, hat in den schottischen Highlands überlebt. Sie gilt jedoch als stark bedroht, da der Bestand auf weniger als 300 Individuen geschätzt wird. In den letzten Jahren wurden verstärkte Anstrengungen unternommen, um die Wildkatze in Schottland durch Zucht- und Wiederansiedlungsprojekte zu erhalten.
Naturschutzmaßnahmen
Zum Schutz der Wildkatze in Europa werden zahlreiche Initiativen auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene durchgeführt. Diese beinhalten Maßnahmen wie die Schaffung von Wanderkorridoren, die isolierte Populationen verbinden und den genetischen Austausch fördern sollen. Das EUROWILDCAT-Projekt ist ein herausragendes Beispiel für eine europaweite Kooperation zum Schutz der Wildkatze, in dessen Rahmen Daten über die Verbreitung, das Verhalten und die Bedrohungen der Art gesammelt werden.
Besonders in Deutschland, Frankreich und Spanien gibt es umfassende Naturschutzprogramme, die versuchen, die Wildkatzenbestände zu stabilisieren und ihre Verbreitungsgebiete auszuweiten. In Schottland wird intensiv an der Erhaltungszucht gearbeitet, um die letzten reinrassigen schottischen Wildkatzen zu schützen.